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Vom Bauerndorf zum Industriestandort
Im 19. Jahrhundert wird der Wandel Münchensteins durch die Kantonstrennung sowie den Bau der Jura-Eisenbahnlinie geprägt.
Gegen 50 Gebäude, die sich rund um den Schlosshügel gruppieren, ergänzt durch eine Handvoll Einzelhöfe und Landhäuser: So präsentierte sich über Jahrhunderte hinweg das Dorf Münchenstein. Der Talboden blieb lange Zeit unbesiedelt, mit Ausnahme der Neue Welt, wo sich schon in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts das Kleingewerbe entwickelte. Die treibende Kraft hierzu war die Birs, die gleich mehrere Mühlen in Schwung hielt und auch die Grundlage dafür war, dass sich hier später die Textilindustrie und ein Eisenwerk ansiedelten.
Mit der Kantonstrennung von Basel-Landschaft und Basel-Stadt im Jahr 1832 geriet die vorherrschende Prägung von Wirtschaft und Gesellschaft in Münchenstein durch Landwirtschaft, Handwerk und Kleingewerbe dann mehr und mehr Wanken. Verschiedene Vorboten kündigten die Industrialisierung an.
Seilbahn über Hauptstrasse
Die Gründung des Kantons Basel-Landschaft beflügelte mit der neu erlangten Handels-, Gewerbe- und Niederlassungsfreiheit die Wirtschaft. Ein weiterer wesentlicher Schub für die Entwicklung war der Bau der Jurabahnline Basel-Delémont – inklusive Bahnhof in Münchenstein – die 1875 eröffnet wurde.
Zeitgleich wurde ein Werk der Portlandcementfabrik Laufen in Münchenstein gegründet. Eine Seilbahn beförderte Kalksteine aus dem Steinbruch oberhalb des Dorfes über die Hauptstrasse hinweg in die Fabrik, die südlich des Bahnhofs lag. 1881 wurde neben der Bahnlinie die Elektromotorenfabrik R. Alioth errichtet, die 1913 vom Konzern Brown, Boveri & Cia AG übernommen wurde. 1896 schlossen sich Industrielle und Kaufleute zusammen, um die Genossenschaft Elektra Birseck Münchenstein EBM zu gründen, die heute zu den grössten Arbeitgebern in Münchenstein zählt – allerdings mittlerweile unter dem Namen Primeo Energie.
In vino veritas
Wo die Wirtschaft wächst, steigt zumeist auch die Bevölkerungszahl – vor allem in jenen Zeiten, als die Mobilitätsmöglichkeiten noch viel bescheidener waren als heute.
So wuchs das Dorf zuerst entlang der Hauptstrasse und der Lehengasse. Nach der Eröffnung der Jura-Bahnlinie schossen dann im Gstad, in der Neue Welt und im Ruchfeld Ein- und Mehrfamilienhäuser aus dem Boden. Um die Wende ins 20. Jahrhundert zählte man in Münchenstein rund 2'000 Einwohnende – mehr als fünf Mal so viel wie noch 1830. Bis 1920 wuchs die Bevölkerung dann bereits auf über 3'600 Personen, Die Siedlungsfläche betrug damals rund 49 Hektaren (heutiger Stand: 232 Hektaren).
Aber Industrialisierung und Modernisierung hin oder her: Noch bis in die 1880er-Jahre hinein zählte Münchenstein auch noch zu den grössten Weinbaugemeinden im Baselbiet und war Weinlieferant der Stadt Basel. "Der hier gezogene Wein ist wegen seiner Trefflichkeit bekannt und gesucht", wird ein Pfarrer Lutz aus dem Jahr 1834 zitiert. Die Trauben wurden in der Trotte gepresst. Auch wenn die Bedeutung stark zurückgegangen sein mag: Die Rebbaukommission der Bürgergemeinde nimmt sich heute nach wie vor noch der Hege und Pflege der Reben sowie der Kelterung an.